…nein, ich habe kein Corona, das schon mal vorweg.

Ich höre kaum noch Nachrichten. Verkrümel mich zu Hause und fahre nur zum Einkaufen, wenn es notwendig ist und wenn nicht so viele Leute in den Läden rumlaufen. Nicht aus Ansteckungsangst – ich bin eher genervt und möchte niemanden sehen.

Ich merke, wie ich in der letzten Zeit immer angespannter werde. Den Mundschutz, den ich sonst im OP auch den ganzen Tag tragen muss, der macht mich aggressiv. Ich bekomme Kopfschmerzen und Panik-Attacken und kann nicht richtig Atmen. Ich muss mir dann den Mundschutz vom Gesicht reißen.

Desweiteren bin ich Urlaubsreif und gestresst. Die ganze Situation geht mir gewaltig gegen den Strich.

Vor ca. drei Jahren wurde bei mir zu hoher Blutdruck festgestellt. Den habe ich mit Blutdrucksenker eigentlich gut im Griff. Jetzt bekommen ich immer öfter Puls und merke, wie sich der Blutdruck in höhere Gefilde hochschraubt. Dazu kommen jetzt noch Herzrhythmusstörungen. 20 % Extrasystolen in Ruhe. Das ist schon eine Hausnummer. Hypochonder der ich bin horche ich natürlich in mich hinein und bekomme starke Herzschmerzen die in den linken Arm ausstrahlen. Das Herz schlägt unregelmäßig und ich grübel, was es alles sein könnte.

Der Internist meines Vertrauens hat ein Echo und ein Belastungs-EKG gemacht und mein Herz ist kerngesund. Er sprach von einem jungen kräftigen Herz. Bei Belastung werden die Extraschläge deutlich weniger und verschwinden teilweise sogar ganz. Was das bedeutet? Der Geist ist gestresst und da ich kleinere Warnsignale übersehen habe meldet er sich jetzt mit so was… …der Rat vom Arzt: „Nehmen Sie Betablocker, denn an ihrem Leben können Sie ja eh nichts ändern… !“

Da sitze ich nun seit 4 Wochen mit einem nicht eingelösten (mittlerweile abgelaufenen) Rezept und denke mir so, dass es doch nicht sein kann, das mir jemand Tabletten aufschreibt um die Symptome zu unterdrücken, es sich aber nichts an der Ursache ändert. Keine weitere Therapie… Keine sonstige Hilfe… ? Was kommt dann als nächstes, wenn ich die Symptome unterdrücke? Der Körper meldet sich dann mit anderen Zipperlein, denke ich.

Mit der Hausärztin habe ich gesprochen. Die findet die Betablocker klasse. UND – sie meldet mich zu einer Reha an, gleich 5 Wochen, die 6. Woche gibt es garantiert auch noch oben drauf. Sie diagnostiziert einen Erschöpfungszustand dröselt mir auf, das ich 32 Stunden (Minimum) im Job arbeite, dann noch mal 8 Stunden im Nebenjob. Drei Kinder zu Hause habe (sie zählt den Mann als Kind, stimmt auch, der macht fast mehr Arbeit als die Kinder) die, auch wenn sie alle schon groß sind, doch mehr Arbeit machen als das sie helfen. Dann noch der Hof, die Pferde, die Katzen, der alte Hund. Sie sagt: „Sie haben eine ca. 70 Stunden Woche und irgendwann schafft das der Körper halt nicht mehr!“

Da muss ich doch ein bisschen weinen. Ich habe doch sonst immer alles geschafft. Bin ich jetzt kaputt? Im Sinne von Defekt?

Eine Reha kommt für mich zur Zeit absolut nicht in Frage. Lucie ist so auf mich fixiert, das ich sie nicht alleine lassen möchte. Ich würde gar keine Ruhe finden, wenn ich irgendwo weiter weg wäre über so eine lange Zeit. Was würde ich mir für Vorwürfe machen, wenn es ihr schlechter geht und ich nicht zu Hause bin. DAS wäre für mich Stress pur.

Also wie ändert man denn jetzt sein Leben von heute auf morgen? Was will man denn auch ändern?

Ich hatte mal eine Freundin, die hat von jetzt auf gleich ihren Job und die Wohnung gekündigt, ihren Kater ins Tierheim gegeben, den Freund verlassen und ist vom platten Land auf gut Glück nach Hamburg gezogen. Nur mit ein paar Klamotten.

Muss man können – ich könnte das nicht.

Jetzt kommt mein kleiner Freund, das Corona-Virus auf den Plan.

Corona sei Dank habe ich jetzt die Möglichkeit seit dem 01.06.2020 Kurzarbeit zu machen und zwar 80 %. Ich bin also zu Hause. Kann mir meinen Tag frei einteilen. Frühstücke in meiner neuen Laube oder am Teich. Genieße das Vogelgezwitscher und das Froschkonzert. Werkel im Garten rum, was mich sehr entspannt. Erfreue mich an den blühenden Blumen oder das meine frisch gepflanzten Himbeeren schon Früchte tragen. Kümmere mich um meinen alten Hund. Schaffe Sachen, die ewig liegen geblieben sind. Ich schlafe viel besser. Das Leben ist schön… 🙂 – solange ich zu Hause sein darf. Die wenigen Stunden, die ich arbeite, versuche ich mich nicht stressen zu lassen, was mir manchmal sehr schwer fällt. Mein Job gefällt mir ja nach wie vor – allerdings nicht die langen Arbeitszeiten, der Druck, der von Oben kommt, wenn man mal nicht so funktioniert, wie sie das gerne hätten und das die Menschheit immer bekloppter und ätzender wird.

Diese Woche habe ich ganz frei. Ich lümmel mich am und im Pool rum und genieße die Sonne. Es ist wie Urlaub nur besser, weil der Sommerurlaub im August ja trotzdem stattfindet.

Der Blutdruck hat sich eingependelt und die Rhythmusstörungen sind nur noch selten spürbar.

Allerdings fallen sportliche Aktivitäten schwer in der Corona-Zeit. Koronar-Sport ist bis September ausgesetzt, so dass ich damit nicht anfangen kann. Die Yoga-Else meldet sich nicht zurück, wahrscheinlich auch coronabedingt. Schwimmen geht nur mit vorheriger Terminabsprache und man darf sich dann nur zwei Stunden auf dem Gelände aufhalten. Das hiesige Fitnessstudio nimmt bis September keine neuen Kunden an. Jetzt wo ich denke, ich müsse Sport machen, legen sie einem solche Corona-Steine in den Weg. Ich könnte ja Laufen, das mag ich aber gar nicht… … …

Ansonsten sitze ich hier auf meiner Insel und bekommen manchmal tagelang nichts von dem Corona-Wahnsinn mit. Wenn ich dann doch mal wieder zum Einkaufen muss, frage ich mich kurz, ob ich denn wohl noch einen Mundschutz aufsetzen muss oder ob alles wieder normal ist… …auf meiner Insel fühlt sich das alles so unwirklich an… …so fern.

Ich gehe jetzt mal wieder in die Natur und genieße das Leben.

Euch allen eine schöne Zeit!

Liebe Grüße,

Rain